FC Eisenhüttenstadt - 1. FC Frankfurt (Oder)


Wettbewerb Brandenburgliga (DE6)
Datum & Uhrzeit 09.04.2022, 15:00 Uhr
Spiel FC Eisenhüttenstadt - 1. FC Frankfurt (Oder)
Eintritt 5 €
Ergebnis 0:1 (0:1)
Spielort Stadion der Hüttenwerker, Eisenhüttenstadt
Spielort Kapazität 10.000
Zuschauer 201
Programmheft Nein
Eintrittskarte Richtige Eintrittskarte


Am 26.05.2002, vor nahezu genau 20 Jahren, fand der letzte Spieltag der NOFV-Oberliga statt. Damals die vierthöchste Spielklasse. Es war der Tag, an dem die SG Dynamo Dresden (zu dem Zeitpunkt noch 1. FC Dynamo Dresden) zu einem Pflichtspiel im Stadion der Hüttenwerker in Eisenhüttenstadt antrat. Wer es damals miterlebt hat, hat eines der aufregendsten Spiele erlebt. Das Heimteam war aber nicht Stahl Eisenhüttenstadt, sondern der FSV Hoyerswerda, welcher aus Sicherheitsgründen für diese Begegnung umziehen musste. Es war das letzte 4.-Liga-Spiel von Dynamo bis heute. Kurz vor Abpfiff fielen erst die entscheidenden Treffer zum dringend benötigten Sieg, der zur Meisterschaft führte. Die Hälfte der 6.000 Gästefans war da bereits schon einem Herzkasper erlegen. Zur Vollständigkeit halber: In der Relegation, die es damals schon zwischen den beiden Meistern der NOFV-Oberligen gab, setzte man sich gegen die Amateure von Hertha BSC durch. Ich war damals 12, ging schon regelmäßig zu den Heimspielen und verfolgte die Auswärtsspiele als Ergebnis-Ticker im Videotext. An besagtem Tag war ich jedoch unterwegs, damals gab es ja noch keine Smartphones und wir erhielten dann irgendwann erst das Endergebnis. 3:1 gewonnen. War doch klar für uns, dass wir Meister werden und es hier einen Sieg gibt. Dass die Leute im Stadion bis kurz vor Schluss, wo es noch 1:1 stand, Blut geschwitzt haben, war uns nicht bewusst.

Ich erzähle diese Vorgeschichte um zu verdeutlichen, dass dies nicht nur ein richtig geiles Stadion ist, was jeder Groundhopper in seiner Liste haben sollte, sondern hier auch eine persönliche Geschichte mit emotionalem Vereinsbezug dahinter steckt, ohne bisher jemals persönlich da gewesen zu sein.

 

Der nächste Punkt, der dieses Spiel zu etwas Besonderem macht, sind die beiden gegeneinander antretenden Vereine. Beide sind Nachfolger von ehemaligen DDR-Oberligisten, welche typisch DDR verschiedene „Stationen“ durchlebten.

Als die BSG (Betriebssportgemeinschaft) Stahl Fürstenberg 1950 gegründet wurde, gab es die Stadt Eisenhüttenstadt noch gar nicht. Erst drei Jahre nach Gründung des Vereins erhielt die angeschlossene Wohnstadt des von der SED 1951 neu errichteten Eisenhüttenkombinat Ost den Stadtstatus unter dem Namen Stalinstadt und die BSG spielte fortan als BSG Stahl Stalinstadt weiter, bevor sie 1961 durch die Umbenennung der Stadt zur BSG Stahl Eisenhüttenstadt wurde.

Die meiste Zeit spielte Stahl in der DDR-Liga, der zweiten Liga und befindet sich dort in der ewigen Tabelle auf Rang 2. Drei Jahre lang spielte man auch in der Oberliga. Einmal in der Saison 69/70 und dann nochmal die letzten zwei Jahre vor der Auflösung der Oberliga im Zuge der Wende (89-91). In dieser letzten Saison konnte man auch den größten Vereinserfolg feiern. Durch die Finalteilnahme im FDGB-Pokal qualifizierte man sich trotz Niederlage gegen den Meister Hansa Rostock für den Europapokal der Pokalsieger. Da man sich durch die Integration der DDR-Ligen in die DFB-Ligen nur für die neue Oberliga Nordost qualifizierte, spielte man die Spiele gegen Galatasaray Istanbul als Drittligist.

Die weiteren Jahre stieg man immer weiter ab und pendelt seit 15 Jahren zwischen sechster und siebter Liga. Der Abstieg aus der dann bereits 4. klassigen Oberliga musste aufgrund der Insolvenz des Vereins bereits nach dem 5. Spieltag erfolgen. Seit 2016 tritt man nach der Fusion mehrerer Vereine unter dem Namen FC Eisenhüttenstadt an.

 

Der Trägerbetrieb von Frankfurt war die Armeesportvereinigung Vorwärts und fand ihren Ursprung in Leipzig, denn dort wurde 1951 der SV KP Vorwärts Leipzig gegründet. Wie es in der DDR üblich war, wurden ganze Mannschaften auch gerne mal in andere Städte transferiert und so ging es als Vorwärts Berlin weiter. Der Hauptgrund war, dass Berlin keine Konkurrenzfähigen Oberliga-Mannschaften stellen konnte, da alle guten Spieler in den Berliner Westen gingen (damals war die Grenze noch offen) und da alle Spieler und Trainer der Vorwärts-Mannschaft offiziell Angestellte der NVA, also der Armee, waren, erhoffte man sich dadurch weniger Abwanderungsgedanken. Vorwärts bekam jedoch sehr schnell einen weiteren Verein vor die Nase delegiert. Die gesamte Mannschaft der SG Dynamo Dresden musste als SC Dynamo Berlin (heute BFC Dynamo) weiter machen. Den Männern von Dynamo unterstellte man als Polizeisportverein und Angestellte der Volkspolizei ebenfalls eine gewisse Regime-Treue mit wenig Abwanderungsgedanken. Obendrein traute man ihnen besseren sportlichen Erfolg zu, wurde die SG Dynamo doch erst jüngst DDR-Meister.

Sportliche Erfolge konnte Vorwärts trotzdem erzielen. 6 Meisterschaften, 4 Vize-Meisterschaften, 2 Pokalsiege (3 weitere Finalteilnahmen) und viele Europapokalspiele stehen zu Buche. Die größten Erfolge im Europapokal waren dabei zwei Mal das Erreichen des Viertelfinales. Das bringt den Verein auf den sechsten Platz der ewigen Tabelle der DDR-Oberliga. Teilweise wurden diese Erfolge aber schon in Frankfurt erzielt, denn der zweite Umzug des Vereins erfolgte 1971. Die Pokale wurden alle in der Berliner Zeit geholt, aber auch in Frankfurt konnte man teilweise gute sportliche Erfolge erzielen.

Ebenso wie Eisenhüttenstadt konnte man sich in Frankfurt in der letzten DDR-Oberligasaison nicht für den Profifußball qualifizieren, welchen man daraufhin bis heute verließ. Mit zwei Umbenennungen zur Frankfurter FC Viktoria 91 und dem heutigen Namen 1. FC Frankfurt bewegte man sich seit der Wende stets zwischen Oberliga und Brandenburgliga.

In der aktuellen Tabelle steht Frankfurt im oberen Tabellen-Drittel während Eisenhüttenstadt als Tabellen-Letzter gegen einen erneuten Abstieg kämpft.*

 

Vor dem Spiel stattete ich noch dem anderen Verbandsligisten der Stadt, dem FSV Dynamo Eisenhüttenstadt, bei der zweiten Mannschaft einen Besuch ab. Auch dort gibt es bereits eine persönliche Verbindung. Das aber nicht aufgrund des gleichen Vereinsnamens. Der FSV Dynamo Eisenhüttenstadt trug 2010 ein legendäres Hallenturnier aus, bei dem auch die Dritte Mannschaft der SG Dynamo Dresden samt mehreren hundert Partyfröhlichen Anhängern teilnahm. Auf dem Rückweg musste man aufgrund eines Schneesturmes Ewigkeiten auf den Zug warten. Die Zeit vertrieb man sich mit Schabernack und der FSV Dynamo brachte damals sogar Verpflegung ans Gleis. Das war einer der Tage, der auf Ewig in Erinnerung bleiben wird. Leider wurde die Dritte Mannschaft der SG Dynamo 2011 aufgelöst. 2020 gab es aber nochmal ein Revival, denn es gab erneut ein Hallenturnier der Eisenhüttenstädter Dynamos (u.a. auch mit Dynamo Schwerin) bei dem die Dritte Mannschaft nochmal als solche teilnehmen durfte.

 

Zum heutigen Eisenhüttenstadt-Doppler gibt es nicht viel zu sagen. Es war ein schöner Tag in der ehemaligen Stalinstadt mit viel Kultur und Erinnerungen. Zwei ehemalige DDR-Oberligisten, halb eingefallene Einkaufszentren und Vokuhila-Rentner mit tiefstem Ossi-Dialekt. Das Ergebnis spiegelt die Tabelle wieder und möglicherweise spielen beide Mannschaften Nächstes mit zwei Klassen Unterschied.

 

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*Vor und nach diesem Spiel lag Frankfurt 7 Punkte hinter dem Tabellenführer. Nun, wenige Wochen später um drei Spieltage vor Schluss ist man Tabellenführer und hat gute Chancen auf den