1. FC Lok Stendal - FC Hansa Rostock II


Wettbewerb NOFV-Oberliga Nord (5.Liga)
Datum & Uhrzeit 20.09.2020, 12:00 Uhr
Spiel 1. FC Lok Stendal - FC Hansa Rostock II
Eintritt 8€
Ergebnis 0:2 (0:0)
Spielort Stadion am Hölzchen, Stendal
Spielort Kapazität 6.500
Zuschauer 526 (150 Gäste)
Programmheft Ja
Eintrittskarte Richtige Eintrittskarte


Der Besuch im Stadion am Hölzchen beim 1. FC Lok Stendal steht schon seit Ewigkeiten auf meiner TODO-Liste. Das hat mehrere Gründe. Auch wenn Lok Stendal nicht zu den ganz großen Vereinen der (DDR-)Geschichte gehört, so ist es dennoch ein sehr präsenter Name. Viele Jahre DDR-Oberliga (beste Platzierung: 4), sowie jeweils eine Halbfinal- und Finalteilnahme im FDGB-Pokal stehen in der Historie.

Der erste Pokalsieg 1952 von Dynamo Dresden (damals noch unter dem Namen SG Deutsche Volkspolizei) hatte ursprünglich Stendal als Finalgegner vorgesehen. Am grünen Tisch verloren sie aber die Partie gegen Einheit Pankow nachträglich, nachdem das Spiel auf dem Rasen 1:0 gewonnen wurde. Stendal setzte jedoch einen Spieler ein, der nicht spielberechtigt war und somit wurde ihnen die Finalteilnahme einen Tag (!) vor dem Spiel entzogen. Natürlich hat man bis heute die Vermutung, dass das ein gekonnter politischer Schachzug war, mit der die DDR-Regierung wieder etwas zugunsten eines Berliner Vereins drehen konnte. Den Pokal hat man in Berlin in diesem Jahr jedoch nicht gesehen.

Stendal ist der nördlichste Oberligist und gleichzeitig der Einzige aus der NOFV-Nordstaffel, der mit dem Mitteldeutschen Länderticket erreichbar ist. Grundsätzlich besteht die Südstaffel aus den Vereinen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Nordstaffel aus den Vereinen aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die darüberliegende Regionalliga NordOst vereint dann diese beiden Gebiete, quasi eine NOFV-Staffel. Grenzvereine der Oberligen werden dann gerne mal in die andere Staffel gepackt, wenn es aufgrund ungleicher Absteiger aus der Regionalliga notwendig wird.

So spielte Stendal nach ganzen 14 Jahren in der Verbandsliga nur das erste Jahr nach dem Aufstieg in der Südstaffel und nun bereits das zweite Jahr in der Nordstaffel.

Am Vormittag wurde noch das Spiel der U19 von Lok besucht, die auf dem Sportplatz Osterburger Straße spielen. Den Platz teilen sie sich mit der zweiten Mannschaft, die in der Landesklasse 1 von Sachsen-Anhalt spielt.

Hansa Rostock II war also der Gegner. Okay, sicherlich werden da einige Fans zu sehen sein, dachte ich mir. Ich habe eigentlich nicht weiter großartig darüber nachgedacht. Ich dachte mir, wenn es ein größeres Ding geben würde, hättest du schonmal was davon gehört. Vorsorglich habe ich natürlich die Vereinshomepage gecheckt. Man muss ja immer mit bestimmten Pandemie-Maßnahmen rechnen. Die Seite wird umgebaut und es wird auf Facebook verwiesen. Dort gibt es keine Informationen, außer dem Hashtag #kommt_alle_ins_hölzchen. Das ist auch eine klare Ansage.

Am Stadion angekommen wurden die Stadionbesucher dann auch gleich von Polizeistaffeln begrüßt. Die Leute waren noch gar nicht richtig am Stadion angekommen, da schrien die Ordner gleich, was alles draußen zu bleiben hat: Rucksäcke, Jacken mit Vereinsemblemen oder Babyflaschen. Teilweise konnte man heraus hören, dass es eindeutige Vorschriften der Polizei für dieses Sicherheitsspiel gäbe. Die Ordner wirkten als externe Unterstützung zu den sonstigen Vereinsordnern und diese hatten mächtig die Schnauze voll von dem ganzen HickHack. So wie im Grunde jeder Stadionbesucher. Viele regelmäßige Hölzchen-Geher konnten die Maßnahmen gar nicht fassen, da sie zum Beispiel nicht mehr mit der VfL Wolfsburg Jacke hinein durften, mit der sie jedes Spiel kommen, Trinkflaschen für das Baby aus dem Kinderwagen entfernen mussten oder ihre Rucksäcke draußen lassen mussten (Der Inhalt durfte aber mit hinein genommen werden).

Das Thema Rucksack stellte uns kurzzeitig vor echte Probleme. Es gab keinerlei Abgabemöglichkeit und auch sonst wollte niemand kooperieren. An dieser Stelle habe ich mich vielleicht zu naiv angestellt. Mit der Fußball-Erfahrung sollte man mit sowas rechnen, aber wie es immer so ist: du bist ständig auf der Hut und vorsichtig und nie wäre es nötig gewesen und bist du es dann einmal nicht, hast du einen Zappen. Da half auch die Antwort der Kassieren nicht, dass doch die Stadionordnung auf der Homepage einzusehen ist. Was da diesbezüglich drin steht, weiß ich nicht. Wie gesagt, es stand auf der Homepage ein fettes „Infos bei Facebook“ und am Stadion waren viele über die Rucksack-Regel verwundert.

Mit den Ordnern gab es folgenden Deal: wir hauen unsere Rucksäcke nach dem Eingang in die Ecke und gut ist. Wichtige Sachen noch am Mann deponiert und den Rucksack ohne Aufpasser in die Ecke geworfen. Dem Prozedere schlossen sich später weitere Personen an, so dass dort am Ende doch ein paar Rucksäcke gelagert wurden.

Man man man. So ein Treiben erlebt man auch nicht häufig. Das Stadioninnere erreichten wir dann auch, immer mit einem leicht mulmigen Gefühl in der Hinterhand. Manche zurückgelassene Sachen waren zwar nicht Lebensnotwendig oder hatten enormen Wert, waren einem dann aber doch wichtig. Das Stadion war bei wunderschönem Sonnenschein sehr gut gefüllt, was auch an den ungefähr 150 Hansafans im Gästeblock lag. Vor dem Spiel wurden einige Personen auf dem Umlaufgelände harsch drauf hingewiesen, dass man sich auf die Sitzplätze zu begeben hatte. Manche Maßnahmen sollte man echt hinterfragen. Es ist selbstverständlich nachvollziehbar, wenn Vereinsverantwortliche alles dafür tun, die Corona-Auflagen zu erfüllen und genervt sind, wenn manche Zuschauer nicht direkt mitspielen. Die Sinnlosigkeiten jedoch, Menschen die sich auf dem Umlauf verteilt hätten, eng an eng auf die Tribüne zu pferchen, springt einem förmlich ins Gesicht. Deutschland galt eben schon immer eher als Bürokratie-Land und nicht als Land, welches in außergewöhnlichen Situationen sinnvolle Dinge tut.

So. Nun aber. Anstoß. Knall. Bumm. Pyro. Geil! Der Gästeblock feuerte Raketen in den Himmel, zündete Rauch und Bengalen. Wie lange habe ich keine Stadionpyro mehr gesehen? Das Spiel war noch gar nicht richtig angepfiffen und schon gingen die Mannschaften wieder zurück in die Kabine. Eventuell ein bisschen übertrieben, denn ausufern tat an dieser Stelle nichts. Kurz darauf ging es weiter mit dem Spiel und das plätscherte so vor sich hin. 0:0 zur Pause und 0:2 am Ende für dann doch etwas überlegene Rostocker. Der Gästeblock feierte 90 Minuten mit asozialsten Fußball-Chören ab. Da waren welche echt lang in der Isolation (vom Fußball). Dauersupport, niedrigstes Niveau, Pyrotechnik. Ein gelungener Ausflug. Auf Heimseite befanden sich ungefähr 50 Personen im Stehblock. Hin und wieder erklang ein Schlachtruf.

Zu diesem Spiel hatte Lok den 1. Boxclub Altmark Stendal um den Profiboxer und ehemaligen Weltmeister Yoan Pablo Hernandez, in dem auch die Trainer-Legende Ulli Wegner eine tragende Rolle spielt, Ehrenpräsident ist und sogar eine Halle nach ihm benannt ist, eingeladen. Die Einladung war ein Dankeschön an die großartige Arbeit, die der Verein leistet: im sportlichen, sowie im sozialpädagogischen Bereich. Eine tolle Geste. Wenn du jedoch fremd bist und von dem allen nichts weißt, siehst du rund um das Stadion und im Inneren nur Grüppchen, die sich hoch- und breitgebaut als Boxclub präsentieren. Sektion: „Auf der Suche nach den Gästefans“ oder so ähnlich.

Bei bestem Fußballwetter kann mal also von einem rundum gelungenen Fußballausflug sprechen. Nach dem Spiel ließen es die Rostocker nochmal knallen und wir liefen durch die Altstadt hindurch zum Bahnhof, wo schon die Zivis warteten und freudig erregt von den Ankünften der Rostocker per Funk berichteten.

Apropos Hauptbahnhof Stendal und Hansa Rostock: Im Februar 2006 gab es hier heftigste Randale, nachdem das Auswärtsspiel von Hansa Rostock bei Eintracht Braunschweig wegen Winter abgesagt wurde. Über zwei Stunden soll der Spuk gegangen sein, bei dem unter Anderem auch Polizeiautos abbrannten. Erst letztes Jahr wurde dieser Randale bei einem Heimspiel von Hansa im Februar „gewürdigt“. „13 Jahre Stendal Randale“. Die Anfangsbuchstaben S und R in blau: Suptras Rostock. Untermalt von einem Bild mit brennenden Einsatzfahrzeugen.