Italien-Tour - Teil 4


Wettbewerb Serie A
Datum & Uhrzeit 21.10.2019, 18:45 Uhr
Spiel Brescia Calcio - ACF Fiorentina
Eintritt 67€
Ergebnis 0:0
Spielort Stadio Mario Rigamonti, Brescia
Spielort Kapazität 16.743
Zuschauer 16.000 (900 Gäste)
Programmheft Nein
Eintrittskarte Richtige Eintrittskarte


Erst gegen Mittag musste ich Parma verlassen, um mit dem Zug nach Brescia zu fahren. Dieser war wunderschön alt, mit Ledersitzen und Aschenbechern an eben jenen, ohne digitale Anzeigen und ohne Schaffnerdurchsagen. Probleme konnten damit eigentlich keine entstehen, da ich das Glück hatte, diese alte Bude von der ersten bis zur letzten Haltestelle bereisen zu dürfen. Das Spiel war das Einzige der Tour, bei der die Kartenfrage noch offen stand. In der Nähe des Bahnhofes befand sich der offizielle Fanshop von Brescia Calcio, weshalb ich aus dem Zug direkt dorthin gestürzt bin. Dieser war jedoch verschlossen. Eine Mitarbeiterin öffnete mir und sagte, dass es ab 15 Uhr am Stadion Karten gäbe. Auf meine Nachfrage meinte sie, dass es eng werden könnte, wenn man es erst kurz vor Spielbeginn probiert, da das Spiel fast ausverkauft ist. Ich bin erstmal zur Unterkunft gelaufen, die ebenfalls in der Nähe war, habe eingecheckt und meine Sachen abgelegt, um dann direkt zum Stadion aufzubrechen. Brescia ist mit knapp 200.000 Einwohnern die kleinste Großstadt Europas mit einer U-Bahn. Sie ist sehr modern, fährt automatisch ohne Fahrer und hat in den Stationen gute Sicherheitsbedingungen. Dadurch konnte das Stadion im Norden der Stadt in Windeseile erreicht werden. Ein Tagesticket kostete 4€.

Kurz nach 15 Uhr kam ich am Stadion an und sah direkt eine kleine Menschenmenge vor einer Kasse warten. Verkauft wurde aber noch nichts. Man merkte, wie die Leute ganz unruhig wurden. Immer wieder sprachen sie miteinander, klopften an die Scheibe oder fragten jemanden aus dem Fanshop nebenan. Die Verzögerung beim Verkaufsstart brachte also die Südeuropäer ins Schwitzen, die ja sonst bei den alltäglichen Dingen die Ruhe weg haben. In der Zwischenzeit kamen auch verschiedene Gruppen oder Einzelpersonen deutscher Hopper am Stadion an. Auffällig war zudem ein Italiener, der mächtig einen gebechert haben muss. Er redete ziemlich laut, wurde teilweise wild und aggressiv. Das gipfelte darin, dass Andere ganz schön pissig wegen seinem Gelurchse wurden und es fast noch geknallt hätte. Mehr als gegenseitiges Drohen wurde es aber im Endeffekt nicht. Mit fast einer Stunde Verspätung startete der Verkauf. Jedoch war immer noch hin und her angesagt. Hier nur Tessera del Tifosi, dort rege Diskussionen. In meiner Reihe hat die erste Dame tatsächlich 20 Minuten gebraucht, um irgendwann endlich mit ihren Karten abzudampfen. Als gerade an zwei Kassen Deutsche waren und ihre Probleme gegenseitig schilderten und einer schon halb verzweifelt in die Kasse betete, wollte ich nichts riskieren und stürzte schnell nach vorne, als ich bemerkte, dass der Kartenkauf dann doch klappte. Ein paar Minuten später hatte ich nach fast 1,5 Stunden das Ticket in der Hand und fuhr zurück in die Innenstadt. Nach einem kurzen Schlendern durch diese, sowie die Besuche einiger Einkaufsgelegenheiten, machte ich mir noch zwei Stunden einen Ruhigen in meinem Zimmer mit Bier und verschiedensten italienischen Fernsehsendungen. Darunter waren die berühmten Fußballrunden mit den übertrieben dickbusigen Moderatorinnen.

In der U-Bahn gab es großzügige Hinweise, wie man zum Stadion gelangt. Dort, wo ich wenige Stunden zuvor noch lang lief, war nun alles gesperrt. Die U-Bahn-Station lag auf der Seite der Gästefans. Neben einfachen Straßensperren gab es auch monströse Mauern, mobile Einrichtungen, extra für die risikoreichen Fußballspiele vorgesehen. Ich enterte die Haupttribüne, ohne meinen Ausweis vorzeigen zu müssen. Das Stadion ist derzeit ein einziges Provisorium. Die Haupttribüne ist relativ modernisiert und der einzige überdachte Teil. Hinter den Blockeingängen befinden sich Container, die als VIP-Lounge dienen. Ein weiterer Container-Bau steht zwischen Haupttribüne und Spielfeld. Die restlichen drei Tribünen sind spätestens seit dem Aufstieg in die erste Liga im Sommer komplett gesperrt, weshalb Stahlrohrtribünen über diese angebracht wurden. Es gab keine Anzeigetafel. Es dauerte eine Weile, bis ich den Anzeigeersatz an den Werbebanden mit bekam. Brescia gegen Fiorentina, das war das Duell Mario Balotelli gegen Franck Ribéry. Während der Eine erst während des Spiels eingewechselt wurde, wurde der Andere unter tosendem Applaus ALLER Fans ausgewechselt. Direkt nach Anstoß viel schon das erste Tor. Das Stadion war am explodieren und die Spieler jubelten mit feinen Gesten in die TV-Kameras. Doch der Schiri stockt, bekommt eine Meldung vom VAR, geht an die Seitenlinie. Minuten vergehen. Er zeigt auf den Mittelpunkt und alle jubeln. Tor. Oder auch nicht. Denn er zeigte nicht auf den Anstoßpunkt, sondern deutete lediglich Abseits-Freistoß an, was dummerweise aber genau die gleiche Geste von seiner Position aus war. Am Ende sollte dieses Spiel meine Serie von X Spielen ohne 0:0 hier reißen lassen.

Im Gästeblock fanden sich ungefähr 900 Personen ein. Kein Vergleich, als ich sie bereits 2012 im Stadio Olimpico auswärts sah und sich damals vielleicht 200 Leute im weiten und ziemlich leeren Rund im Auswärtssektor verliefen. Der Gästeblock durfte sich einige Pöbeleien von der nahe gelegenen Haupttribüne anhören und -sehen. In der zweiten Halbzeit gab es dafür einen besonders Eifrigen in der ersten Reihe. Wild gestikulierend stand er mehrfach auf und bat die Gäste mit nach draußen. Ein Ordner sollte ihn etwas zur Ruhe bringen, was ihm auch gelang, aber nicht, ohne ihn vorher zur Begrüßung herzlich abzuklatschen. Als es am Ende der zweiten Halbzeit so richtig zu regnen begann, war die Gegentribüne in Windeseile halb leer. Auf dieser befinden sich auch die Ex Curva Nord. Eine Gruppe, die sich von der Curva Nord abgespalten hat. Die Mitglieder gehören zumeist schon der älteren Generation an und haben mit dem politischen Abdriften nach Rechts ihre Probleme. Die Curva Nord überzeugte mit gutem Support und mehreren pyrotechnischen Erzeugnissen während des gesamten Spiels. Florenz spielte eher ein leises, monotones, aber durchgängiges Dauer-Lalala. Nachdem die sieben angezeigten Minuten der Nachspielzeit um waren, konnte ich geschwind mit der U-Bahn meine Unterkunft erreichen.